Samstag, 26. November 2005

*

Es ist nicht einfach, sie hier zu sehen. Und wieder so zu sein, wie es eigentlich immer gewesen ist. Plötzlich wieder von sich als Teil einer Gruppe auszugehen, die man schon fast hinter sich gelassen hat, aus der man schon fast herausgewachsen ist, aber nicht will.
Es ist seltsam schön, ein Zurücksinken in das Damals, als das größte Problem die kleinen Streitigkeiten mit den Brüdern waren und Rohre aus Löwenzahnstengeln den ganzen Nachmittag ausmachen konnte. Oder später, als ich sie dann nicht mehr aushalten konnte, sie gehasst, und ihre Sturheit und Sicherheit verachtet und gleichzeitig darum beneidet habe. Und wie ich dann plötzlich merken musste, dass sie doch gar nichts wissen, manche ihrer Entscheidungen schlichtweg falsch sind, und dass ihre ewige schreckliche Gewissheit auch nur aufgesetzt war. Dass sie auch nur Menschen sind. Dass sie es auch nicht besser wussten. Niemals.
Auf einmal waren die Rollen anders verteilt, ich frage nicht mehr so viel, ich werde gefragt, nicht mehr mein Vater erklärt mir die Welt, ich glaube nicht mehr an seine Allwissenheit, wir stehen gemeinsam da und zweifeln - nicht mehr meine Mutter nimmt mich in den Arm, sondern ich bin da und höre ihr zu, wie sie erzählt, von ihren Fehlern, die sie lieber nicht gemacht hätte, und dass sie das niemals so gewollt hat und nicht weiß, ob sie sich mit dem was jetzt ist, zufrieden geben kann oder will, all die Dinge, von denen ich damals keine Ahnung hatte und die einem im Nachhinein noch mehr das Herz zerreißen.
Und es tut weh, sie so zu sehen, sich wieder in sie einzufühlen und das nicht mehr mit ganzem Herzen zu können. Sie sind nicht mehr meine Helden, schon lange nicht mehr, aber sie entgleiten mir. Oder ich entgleite ihnen. Ich bin nicht mehr wirklich ihre kleine Tochter, die ewige Heulsuße, die ständig zeichnet. Sie sind nicht mehr die ersten, die ich brauche, wenn es mir schlecht geht. Sie wissen nicht mehr alles, das wussten sie nie, aber sie sind nun viel zu weit weg, um überhaupt eine Chance zu haben, mehr zu wissen, als ich sie wissen lassen will.
Ich bin schon vor langer Zeit gegangen, komme immer wieder zurück, aber niemals wieder ganz. Und das tut weh. Auch weil ich nicht weiß, wohin.

(file under:
Dinge, die ich hier wohl nicht bloggen sollte)
davus (Gast) - 26. Nov, 21:13

wenig...

... ist schmerzhafter zu erfahren als die imperfektion der menschen, deren fleischliche wie geistige frucht man letzten endes ist. ich bin gerade erst wieder an dem ort angekommen von dem aus ich doch irgendwie geflüchtet bin, den ich aber nie ganz zurücklassen kann. doch dass ich nicht einfach und gänzlich zurückkommen kann, habe ich als chance, als bittere möglickeit empfunden, die mir aufgezwungen wird, die ich ergreifen wollte. ich habe mich entschieden ihren mythos zu zerbröckeln - und damit auch zu erneuern. was für eine leistung ist es, ein kind bis in die uni zu bugsieren, wenn man doch nur mensch ist. mensch sein, eine erfahrung die ich selber schon so oft, und doch nie ganz gemacht habe. darin sind sie mir doch einen schritt voraus.
(file under: eigentlich, eigentlich wollte ich das hier gar nicht kommentieren)

gan - 27. Nov, 23:09

Das Seltsame, irgendwie Unangenehme an dem Ganzen ist ja, sie hier zu sehen, in einer Welt, die absolut nicht die ihre ist, in der sie sich nicht wirklich wohlfühlen. Zu Hause sind sie souverän, hier verloren, und so anders. Plötzlich verbringen wir Zeit aktiv miteinander, dieses Herumgerenne der Gemeinsamkeit wegen ist ungewohnt, irgendwie auch falsch, denn so geht man in meiner Familie nicht miteinander um...
Ich weiß, vier Kinder zu haben und (bisher) zweien davon eine universitäre Ausbildung zu ermöglichen, dem Ersten auch eine Lebensgrundlage zu schaffen, und beim vierten wieder vor dem ganzen zu stehen, noch einmal ein Kind in der Pubertät durchzumachen, sich noch einmal diese ganzen Dinge anzuhören, die man als Eltern nicht hören will, aber von bockigen Töchtern an den Kopf geworfen bekommt - es ist eine Leistung, und ihre Leben bestehen ja nicht nur aus ihren Kindern. Ich bin nur wieder einmal im Gedanken bestärkt worden, mein Leben nicht so leben zu wollen, es anders zu machen, besser und andere Entscheidungen zu fällen. Dass mir das wirklich gelingt, bezweifle ich (wenn nicht schon das Anders, dann zumindest das Besser)...

(ich hab dich mal, ganz frech, auch geblogrollt...)
tibits - 27. Nov, 03:26

Wohin

Gerade gestern, als du wohl an deinem Blog schriebst kam mir der Gedanke, dass ich nirgendwo zu Hause bin. Nirgendwo jemals zu Hause sein kann. Doch dann entsprang der Verzweiflung die Erkenntnis: Ich bin zu Hause wo ICH bin. Voll und Ganz, niemals Halb. Daher stellt sich "Wohin?" nicht mehr als Frage, wenn die Antwort lautet: "Ich bin da!"

gan - 27. Nov, 23:20

zu Hause

ist für mich zu Hause. Das Haus, die Menschen, das Licht und die Steine.
Wenn ich "daheim" sage, dann ist das dort, ungefähr 600km entfernt, und nirgends anders.
Meine Problematik ist eher, dass ich irgendwie zwischen den Stühlen hänge. Ich weiß, woher ich komme, wo ich immer hingehören werden, aber nicht, wohin ich will, was ich wirklich will von meinem Leben und hab absolut keine Vorstellung von meinem Leben in vier, fünf Jahren...

(Aber für "Armes kleines Gan" hab ich grad keine Nerven. Nicht bei dem Thema. Ich pack das nämlich schon. Ich pack alles. Irgendwie.)
valfisch - 27. Nov, 23:46

(yep, du packst das.)

(bist nicht allein.)

(wenn du magst.)
tibits - 28. Nov, 13:39

Wollen

Viele behaupten zu wissen was sie wollen und wissen es eigentlich nicht, viele behaupten sich vorstellen zu können wo sie in vier, fünf Jahren in ihrem Leben stehen werden und stehen in vier, fünf Jahren ganz wo anders.

Wichtig ist, dass du weißt was du heute tust, daß du weißt was du heute willst. Was in der Zukunft sein wird, kann niemand von uns wissen. Und alle die es behaupten belügen sich, meiner bescheidenen Meinung nach, selbst.

Wenn wir es schaffen uns selbst zu vertrauen, uns selbst gegenüber ehrlich zu sein, dann kann die Zukunft bringen was immer sie will, es wird richtig, gut und erfüllend sein. Was jetzt nicht heißt wir sollen die Hände in den Schoß legen und Däumchen drehend abwarten was da kommt.

Und, ja, du packst das ganz sicher. Auch wer kleine Schritte geht kommt eines Tages an. Oft sogar mit mehr Qualität als jemand der sein ganzes Leben nur rennt. :o)
gabi (Gast) - 28. Nov, 10:27

escape from the a-bomb house

möchte nicht immer auf alles mit musik antworten, aber was dieses thema anbelangt sing ich am liebsten folgende zeilen von less than jake lauthals mit:

Dear Mom and Dad,
I’ve been making plans
To leave your house and yes I’m sure
That nothing’s wrong, so just be strong on my way out

After all the endless nights
The who’s been wrong and who’s been right
We just never saw eye to eye

Gananarama

hustensaft, baby

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